Pflege zählt beim Erben mit

Pflege zählt beim Erben mit

 

Viele pflegebedürftige Menschen werden von Angehörigen zu Hause versorgt, nicht selten jahrelang und mit großem Einsatz, aber dennoch unentgeltlich. In bestimmten Fällen sieht das Erbrecht dafür einen Ausgleich vor.

Leider lassen die Grundsätze des deutschen Erbrechts eine „automatische“ erbrechtliche Honorierung unentgeltlich erbrachter Pflegeleistungen nur in relativ engen Grenzen zu. Einen Ausgleichsanspruch haben Pflegepersonen danach aber immerhin, wenn im konkreten Fall folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Es gilt die gesetzliche Erbfolge. Das heißt, der Erblasser hat kein Testament errichtet und keinen Erbvertrag geschlossen.
  • Der Erblasser wurde zu Lebzeiten von einem eigenen Kind, einem Enkel oder Urenkel gepflegt.
  • Die Pflegeperson hat für ihren Einsatz weder eine adäquate Gegenleistung vom Erblasser noch Leistungen von der Pflegeversicherung bezogen.
  • Die Pflege erfolgte während längerer Zeit, also nicht nur wenige Tage oder Wochen vor dem Tod des Erblassers.

Wie viel sind Pflegeleistungen wert?

Zur Höhe des Ausgleichsanspruchs bestimmt das Gesetz lediglich, dass sie der Billigkeit entsprechen muss und dabei Dauer und Umfang der erbrachten Pflegeleistungen sowie der Wert des Nachlasses zu berücksichtigen sind. In der Praxis werden mitunter die Stundensätze ambulanter Pflegedienste herangezogen; auch das ist aber nur eine vage Orientierungshilfe.

Wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sind, richtet sich der Anspruch des pflegenden Miterben gegen die restliche Erbengemeinschaft. Das heißt: Der entsprechende Betrag wird vom ungeteilten Nachlass abgezogen und geht vorab an den pflegenden Miterben. Erst danach wird die noch vorhandene Erbmasse anteilsmäßig unter allen Miterben verteilt.

Die gesetzliche Regelung ist in mehrfacher Hinsicht problematisch, denn

  • anspruchsberechtigt sind nur die Abkömmlinge des Erblassers. Der Ehegatte und die Schwiegerkinder, die in der Praxis besonders häufig pflegen, haben keinen gesetzlichen Anspruch.
  • die Berechnung der Anspruchshöhe im Einzelfall ist mangels genauer gesetzlicher Vorgaben sehr streitanfällig.
  • bei lang andauernder und aufwendiger Pflege kann es sein, dass der Nachlass zum großen Teil von dem Ausgleich aufgezehrt wird. Das führt häufig zu Streit unter den Miterben.

Honorierung der Pflegeleistungen selbst regeln

Um diese Probleme zu vermeiden, ist es ratsam, für den Fall der eigenen Pflegebedürftigkeit aktiv zu werden und die Entgeltfrage selbst zu regeln. Das kann auf zweierlei Art geschehen:

  • Die pflegebedürftige Person kann ein Testament errichten und die Pflegeperson – das kann dann auch der Ehegatte, ein Schwiegerkind oder ein nicht zur Familie gehörender Dritter sein – mit einem Vermächtnis bedenken, das ein Entgelt für die erbrachten Pflegeleistungen darstellt.
  • Alternativ dazu kann die pflegebedürftige Person einen Vertrag mit der Pflegeperson abschließen, in dem der Umfang der Pflegeleistungen und das dafür zu zahlende Entgelt geregelt sind. In diesem Vertrag kann auch vereinbart werden, dass die Auszahlung der Vergütung erst im Erbfall erfolgt. Damit es nicht zum Streit mit den Erben kommt, sollte ein solcher Vertrag stets schriftlich niedergelegt werden.

Pflegeleistungen dokumentieren

Kinder, Enkel und Urenkel, die Eltern oder Großeltern unentgeltlich über längere Zeit pflegen, sollten ihren Zeitaufwand und ihre Tätigkeiten unbedingt in einem Pflegetagebuch festhalten, damit sie im Erbfall ihren gesetzlichen Ausgleichsanspruch gegenüber den Miterben dem Grunde nach geltend machen und der Höhe nach beziffern können.

Aber auch wenn Pflegeleistungen aufgrund einer testamentarischen Bestimmung oder eines Vertrages mit der pflegebedürftigen Person honoriert werden, ist es empfehlenswert, ein Pflegetagebuch zu führen, um etwaigen Einwendungen der nicht pflegenden Erben entgegentreten zu können.

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Kommentare


Alex Zaraki schreibt am 25.03.2023 um 22:01 Uhr:

Seitdem meine Großeltern intensive Pflege benötigen, denke ich zugegebenermaßen oft über das Erbe nach. Natürlich möchte ich keinen Streit wegen des Entgelts, deswegen werde ich mir zu Informationszwecken Beratung zu dem Erbrecht holen müssen. Ein Pflegetagebuch ist eine gute Idee und ich werde außerdem nach dem Testament fragen.


Antwort von Monique Stengel am 27.03.2023 um 10:32 Uhr:

Guten Tag Herr Zaraki,
wir freuen uns, dass unser Beitrag Ihnen Hilfestellungen geben konnte.
Auch wir empfehlen sich an einen Rechtsanwalt oder Notar zu wenden.
Monique Stengel vom Social Media Team


Nina Hayder schreibt am 13.03.2023 um 13:28 Uhr:

Ich bekomme bald ein Erbe. Über den Anwalt informiere ich mich zum Pflichtteilsrecht. Aber gut zu wissen, dass die Pflege mit in das Erbe zählt.


Antwort von Palina Wollmann am 13.03.2023 um 14:13 Uhr:

Guten Tag Frau Hayder,
vielen Dank für Ihren Kommentar. Wir freuen uns, dass der Beitrag für Sie neue Informationen bereit hielt.
Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Freude beim Lesen unserer Blogbeiträge.
Palina Wollmann vom Social Media Team


Francois schreibt am 07.03.2023 um 11:57 Uhr:

Nachdem ich mir den Beitrag nun durchgelesen habe, stelle ich mir ähnlich wie Oscar die Frage, ob nicht eine frühzeitige Testamentanlage sinnvoll sei. Hierzu reicht es nicht aus, wenn diese band-verfasst und unterschrieben ist, oder etwa doch? Ich werde mich mal bei einem Anwalt für Erbrecht darüber erkundigen. Ich danke auf jeden Fall für den aufschlussreichen Beitrag!


Antwort von Palina Wollmann am 09.03.2023 um 11:06 Uhr:

Guten Tag Francois,
vielen Dank für Ihre Rückmeldung.
Ein Rechtsanwalt oder Notar gibt Ihnen in diesem Themenbereich professionelle Unterstützung.
Palina Wollmann vom Social Media Team


Elli schreibt am 03.03.2023 um 16:37 Uhr:

Ich finde es interessant, dass das so im Erbrecht geklärt ist. Ich kann es aber auf jeden Fall verstehen. Das ist schon eine gute Sache.


Antwort von Stefanie Degenhardt am 07.03.2023 um 09:17 Uhr:

Guten Tag Elli,
vielen Dank für Ihr Feedback. Schön, dass wir mit unserem Beitrag Ihr Interesse an diesem Thema geweckt haben.
Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Freude beim Lesen unseres Blogs.
Stefanie Degenhardt vom Social Media Team


Oscar schreibt am 02.03.2023 um 10:53 Uhr:

Sehr spannend, dass die Pflege durch Angehörige in Abwesenheit eines Testaments zu Ausgleichsleistungen führen kann. Noch spannender finde ich, dass hier der Zeitfaktor so ausschlaggebend scheint. Dies ist ja in Sachen Erbrecht und Recht im Allgemeinen sehr selten, wenn ich mich richtig entsinne? Vorbeugend gilt es für mich dann wohl, ein Testament zu schreiben.


Antwort von Monique Stengel am 02.03.2023 um 15:47 Uhr:

Guten Tag Herr Oscar,
vielen Dank für Ihr Feedback zu unserem Blogbeitrag.
Eine frühzeitige Testamentanlage kann Sie beruhigen und im Trauerfall Ihre Angehörigen entlasten.
Monique Stengel vom Social Media Team


Will Niemer schreibt am 04.01.2023 um 12:16 Uhr:

Vielen Dank für diesen Beitrag zum Thema Erbe. Ich finde Erbrecht ist ein interessantes Thema. Es ist ein guter Tipp, den Zeitaufwand und Tätigkeit in einem Pflegetagebuch festzuhalten.


Antwort von Monique Stengel am 04.01.2023 um 15:26 Uhr:

Guten Tag Herr Niemer,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Blogbeitrag.
Auch wir empfinden dies als Thema, über welches man sich frühzeitig Gedanken machen sollte.
Monique Stengel vom Social Media Team